Hannes R. ist besorgt. Der Einzelhandelskaufmann hat vor wenigen Monaten über die Crowdinvesting-Plattform Europäische Union in das mittelständische Unternehmen Greece investiert. Greece ist in Deutschland vor allem unter den Marken Taverna Tsirtaki und Varoufakis aktiv. Das südeuropäische Unternehmen mit Sitz in Athen gilt als Erfinder und weltweiter Pionier des Crowdvotings. Das ursprünglich noch aus der Offline-Welt stammende, „Demokratie“ genannte System ist seither oft kopiert und adaptiert worden – darunter auch in Deutschland durch das Rocket Internet Startup Bundestag. Nun droht die Anschlussfinanzierung zu platzen und das griechische Unternehmen soll angeblich angeblich sogar vor der Pleite stehen. Hannes R. droht all sein Geld zu verlieren.
227 Milliarden Euro aus der Crowd
So wie Hannes R. geht es Millionen weiteren Kleininvestoren. Insgesamt 227 Milliarden Euro (entspricht etwa 122.500 CHF oder 9 Bitcoins) hatte das vielversprechende Greece in mehreren Finanzierungsrunden über die .eu-Plattform eingesammelt. Die letzte Finanzierungsrunde fand im Februar 2015 statt. Für viele Kleinanleger kommt die drohende Insolvenz sehr plötzlich und unerwartet: „Bei meinem Investment war mir nicht klar, auf welch wackeligen Beinen die Anschlussfinanzierung steht,“ klagt Sabine L. Die Grundschullehrerin hat Angst, ihr Geld nie wieder zu sehen. Ihr Mann, seines Zeichens Bankkaufmann, hätte ihr gleich davon abgeraten, aber die schönen Landschaftsbilder in der Projektpräsentation hatten es Sabine L. einfach angetan.
Wie bei anderen Crowdpleiten auch, bemängeln die Crowdinvestoren nun insbesondere die intransparente Mittelverwendung. Die Behauptung steht im raum, das Greece bereits während des Crowdfundings eigentlich kurz vor der Insolvenz stand. Das Geld sei einfach verbrannt worden, glaubt auch Hannes R. Er hatte bereits im Frühjahr 2010 fast 73 Milliarden Euro aus privaten Mitteln in das Startup gesteckt. Im Gegenzug sollte er via partiarischem Nachrangdarlehen am Gewinn des Unternehmens beteiligt werden oder im Fall eines Grexits am Verkaufserlös partizipieren. In einer zweiten Finanzierungsrunde 2012 legte er noch einmal nach. Diesmal investierte er 11.250 Euro und sicherte sich als Dankeschön-Prämie die Insel Rhodos sowie ein Abendessen mit Costa Cordalis. Zuletzt beteiligte Hannes R. sich 2015 an der vorerst letzten Crowdinvesting-Runde.
Businesskonzept schlecht umgesetzt?
Das Business-Konzept schaut auf den ersten Blick vielversprechend aus. Greece verdient insbesondere über ein Subscription-Modell mit festen Abgaben (sog. Steuern), verdient darüber hinaus aber auch noch wie ein Affiliate-Netzwerk Provisionen an jedem Transaktionsgeschäft (sog. Mehrwertsteuer). Das lief lange Zeit sehr gut. „Der Umsatz von Greece entsprach in einigen Jahren fast dem BSP, eines kleinen Staates,“ weiß E-Commerce-Experte Jürgen K. zu berichten, der ebenfalls in das Wachstumsunternehmen investiert hat. Letzendlich war es aber nicht genug. Beim Versuch Bitcoins als Landeswährung einzuführen, verschuldeten sich viele Greece-User, die sog. Griechen, bis über beide Ohren.
Mittlerweile werden kritische Stimmen laut, die Greece seine überbordende Personalpolitik vorwerfen.“Mit 768.000 Mitarbeitern bei 11 Millionen Usern, entsteht ein ziemlicher Verwaltungsoverhead,“ kritisiert Jürgen K., der dem Unternehmen in einem offenen Brief empfohlen hat, seinen Handel ab sofort nur noch auf Klingeltöne und andere virtuelle Güter zu konzentrieren. „Kein Wunder, dass das Geld verbrannt wird. Wäre ich Personalchef bei Greece, würde ich Konsequenzen ziehen“ Zum Vergleich: Das US-Unternehmen Facebook hatte in Q1/2015 weitweit rund 667 Mio aktive Nutzer, kommt jedoch mit nur 2.127 Angestellten aus. Selbst die Deutsche Post beschäftigt nur 490.000 Mitarbeiter weltweit.
Überhaupt sei die Marktlage durch die zunehmende Digitalisierung immer schwieriger, glauben Branchenexperten des Handelsverbands Online Wirtschaft. Gegen US-Riesen Amazon und das chinesische Alibaba hätten einfach die wenigsten Unternehmen noch eine Chance.
Hoffnung auf den Turnaround
Noch ist es aber nicht zu spät. Aktuell gibt es Verhandlungen des als Krisenmanager eingesetzten Interims-Geschäftsführers Tsipras mit einem nicht näher genannten russischen Großhändler sowie Gespräche mit der Schweiz über einen Asset-Deal, der wieder Geld in die klammen Kassen spülen könnte. Man darf also gespannt sein, wie es weiter geht. Derzeit bangen Greece-User und europäische Crowdinvestoren gleichermaßen um die Zukunft des beliebten Unternehmens. Nach TollABox und Paymey wäre Greece die dritte große Crowdpleite 2015 und ein weiteres Anschauungsbeispiel dafür, wie eine geplatzte Anschlussfinanzierung die Träume von Crowdinvestoren zunichte macht.
Die Bundesregierung schweigt und verweist auf das Kleinanlegerschutzgesetz, welches die Crowdinvestoren zukünftig noch besser schützen sollen. Initiiert wurde es 2013 nachdem der besonders bei Windsurfern und Seglern beliebte südeuropäische EU-Mitgliedsstaat Prokon eine Staatspleite hinlegte.
siehe auch: Liste der Crowdpleiten auf crowd-investment.de
Titelbild: By Jörg Rüger (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons & By Bizking2u (Own work) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons