Lockpit: Diese App öffnet jede Cockpit-Tür

Es fällt nicht leicht einen solchen Artikel zu schreiben. Noch keine 36 Stunden ist es her, dass Germanwings Flug 4U9525 in den südfranzösischen Alpen nahe dem Örtchen Seyne-les-Alpes zerschellte. Grund soll nach ersten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eine bewusste Herbeiführung des Absturzes durch den Co-Piloten Andreas L. gewesen sein, der während des Vorfalls seinen Piloten-Kollegen aus dem Cockpit aussperrte. Zurecht suchen die Medien in ihrem Betroffenheitsjournalismus derzeit nach der Antwort, wie das Unglück bei dem 150 Menschen, vor allem aber deutsche Schüler und sogar Babys starben, hätte verhindert werden können.

Die Antwort kommt ausgerechnet aus dem Silicon Valley. Das US-Startup Lockpit möchte zukünftig alle Cockpit-Türen per Smartphone- bzw. Tablet-App öffnen lassen. „Als die Gebrüder Wright das Fliegen erfanden, gab es noch keinen Grund, das Cockpit gesondert abzusichern,“ erläutert Tim Doors, CEO von Lockpit, „das war aber vor dem 11. September.“ Seither, so der begeisterte Sportpilot und ehemalige Raketeningenieur, habe sich einiges verändert. Das Cockpit ist mittlerweile uneinnehmbar und lässt sich regulär nur noch von innen öffnen.

Gefährlicher Piloten-Bunker

cockpit
Cockpits – fliegende Atom-Bunker

90 Prozent aller Cockpit-Türen seien kugelsicher, 23 Prozent würden sogar den wiederholten Beschuss mit einer Panzerfaust aushalten. Das erscheint richtig, den eine verschlossene Tür dient zunächst der Sicherheit vor Flugzeugentführern und aufdringlichen Passagieren. Nun kommt es aber immer wieder mal vor, dass einer der beiden Piloten – wie man in Lufthansa-Pressekonferenzen sagt – „aus biologischen Gründen“ das Cockpit verlassen muss. Hierbei kann es vorkommen, dass der verbleibende Pilot ebenfalls – aus (gleichen oder anderen) biologischen Gründen – flugunfähig wird (Im Cabine-Crew-Code spricht man vom „Pinguin“).

Mit einer Reihe von Sicherheitsprozeduren überbieten sich nun Pilot und Co-Pilot gegenseitig bei dem Versuch, die Tür zu öffnen bzw. verschlossen zu halten. Hierbei herrscht das Schnick-Schnack-Schnuck-Prinzip (aeronautischer Fachausdruck). Am Ende aber siegt immer der im Cockpit-Verbliebene und genau da sieht Lockpit die Gefahr. „Der Germanwings-Vorfall war nicht der erste seiner Art,“ gibt Doors zu Protokoll. Auch beim Verschwinden von MH370 im März 2014 hätten die Ermittler den erweiterten Suizid bereits früh in Betracht gezogen. Damals kam Doors auf die Idee einer App, die jeden Passagier befähigen sollte, notfalls die Tür zur Pilotenkabine zu öffnen.

Aus der Garage ins Flugzeug

garage
Die Lockpit Gründergarage im Silicon Valley: Hier entstand die Türöffner-App

Seither haben er und sein Team in der Startup-Garage in Palo Alto an der Kreuzung des Garagentüröffners mit dem Smartphone gewerkelt. Die Lockpit-App öffnet die Cockpit-Türen sämtlicher Flugzeugklassen vom Typ Airbus und Boeing und kooperiert bereits mit Air America, British Airways, Egypt Air und Air Malaysia, bei welcher mit der App sogar die Ladelucke und die Toilettentür geöffnet und drüber hinaus die Landeklappen ausgefahren werden können. Weitere Fluglinien-Anbindungen sollen folgen. Jim Doors sieht seine App vor allem als Mittel für mehr Passagier-Involvement in Flugabläufe und Sicherheitsprozeduren. Das nehme die Flugangst und stärke die Kundenbindung.

Auch der Slogan „you have control“ ist dem Sprachgebrauch an Bord von Flugzeugen entlehnt. Mit diesen Worten übergibt der Pilot das Kommando an den Co-Piloten, bevor der das Cockpit verlässt.

Die App soll ab nächster Woche frei verfügbar in den Appstores zum Download bereit stehen. Via In-App-Kauf soll man zukünftig auch die privaten Facebook-Profile sämtlicher Crew-Mitglieder freischalten können, um sich einen Eindruck davon zu machen, wo der Flugkapitän am Abend zuvor gefeiert hat und welcher erste Offizier seit geraumer Zeit nur noch Statusmitteilungen von nachdenklichen Glücksnuss-Sprüchen postet. Auch Personal- und Krankenakten des Flugpersonals sollen ungeschwärzt zugänglich gemacht werden. Das Angebot richtet sich insbesondere an Passagiere mit Flugangst, Verschwörungstheoretiker und Sensationsjournalisten. Diese bereiten sich bereits auf die auflagenstarke Schlagzeile vor: Darf man aus dem Tod von Menschen Kapital schlagen?

Via QR-Code auf den Sicherheitshinweis-Karten kann jeder Passier demnächst direkt aus der Sitztasche die Lockpit-App downloaden. Vor Missbrauch durch Terroristen hat Tim Doors dabei jedenfalls keine Angst. Schließlich würden die Passagiere auf fast allen Fluglinien angewiesen, ihre Mobilgeräte in den Flugmodus zu versetzen, was effektiv für die Dauer des Fluges ja auch die Bluetooth-Konnektivität zwischen Lockpit-App und Cockpit-Tür unterbindet.